Beschreibung
An die Vorgeborenen (2014)
für Vibrafon
denkend an: Die Ballade von der sexuellen Hörigkeit
Der Bitte, ein Stück für Vibraphon zu schreiben, das gesanglich sei und an Kurt Weill anknüpfe, bin ich gerne nachgekommen. Einerseits galt es, das Vibraphon als Gesangsinstrument ernst zu nehmen. Andererseits – in meiner Ausbildung wurde dem politischen Engagement der „Neuen Musik“ großer Wert beigemessen: als Auftrag und Legitimation für zahlreiche Gebote und Verbote, als Grundlage für ihren universellen Anspruch. Die Musik Eislers und Weills in Verbindung mit den Texten Bert Brechts war dafür ein Modell, zeigte aber auch ein Dilemma: Die Fülle an Möglichkeiten einer musikalischen Sprache auf der Höhe der Zeit wurde liegen gelassen zugunsten der Verständlichkeit einer politischen Botschaft. Der Anlass, mich erneut mit der Musik von Kurt Weill zu beschäftigen, hat daher für mich eine besondere Bedeutung. Sie erscheint mir heute in einem ganz anderen Licht. Beeindruckt bin ich von der Entwicklung, die Weills Musik im Laufe seines Lebens genommen hat, die so Vieles mit einschließt, bei der sich der Komponist und Mensch Kurt Weill aber immer treu bleibt. Sie zeigt eine Virtuosität im Umgang mit Stilen, für die es im Selbstverständnis der aktuellen Musik heute viel zu wenig Raum gibt.
Die neue Komposition für Vibraphon entfaltet ihre melodischen Bedürfnisse aus dem Kernintervall der Quinte heraus und mündet in ein Gebilde, das in gewisser Weise von der Weillschen Ballade aus der Dreigroschenoper ausgeht, diese aber überwuchert und umformt. Der Duktus des Stückes ist nicht liedhaft, sondern erzählend. Einzelne Elemente der Ballade tauchen immer wieder auf, aber in ganz anderen Zusammenhängen und sie führen außerhalb von liedhafter Geschlossenheit in scheinbar Unzusammenhängendes, Widersprüchliches und setzen einen musikalischen Diskurs in Gang.
Markus Bongartz
Dauer: 6 min.
Ein Auftrag anlässlich der Entdeckungen XII, ausgerichtet von der Kurt-Weill-Gesellschaft
UA 31. Januar 2014 in der Landesvertretung von Sachsen-Anhalt in Berlin
durch Sabrina ma, der das Stück auch gewidmet ist.