Beschreibung
VORWORT Kurz vor Ende meines musikwissenschaftlichen Studiums stellte ich überrascht fest, dass mir außer Fanny Hensel und Clara Schumann kaum Namen von Komponistinnen geläufig waren. Wenigstens einige zeitgenössische wie Adriana Hölszky und Sofia Gubaidulina waren mir begegnet. Mit der Zeit etablierte sich daher der Wunsch, mich intensiver mit Komponistinnen auch der vergangenen Jahrhunderte zu beschäftigen. Sicherlich gibt allein das Zusammentreffen von Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht und kompositorischer Betätigung nicht ausreichende Berechtigung, Gegenstand einer wissenschaftlichen Arbeit zu werden. Bald stellte sich allerdings heraus, dass sich Helene Liebmann auf verschiedenen Ebenen deutlich von anderen Komponistinnen und Instrumentalistinnen abhebt. Dies zeigt sich zuerst in ihrem kompositorischen Werk, dessen Schwerpunkt auf Klavier und Kammermusik liegt. Im Gegensatz zu vielen anderen Frauen um 1800 war sie nicht ›nur‹ eine Liedkomponistin, sondern wandte sich auch den so genannten Männergattungen zu. Auch als Pianistin fand sie im Berliner Konzertleben eine überraschend große und unvergleichliche Präsenz. Obwohl Helene Riese nach ihrer pianistischen Laufbahn dann auch als Konzertsängerin in Hamburg eine gewisse Berühmtheit erlangt hatte, sind ihre bisherigen Biographien überaus lückenhaft und voller Ungereimtheiten. Über die alltäglichen und kulturellen Lebens- und Arbeitsbedingungen von Komponisten hinaus, die auch Untersuchungen bezüglich männlicher ›Kleinmeister‹ in der Regel mit sich bringen, interessieren in dieser Arbeit also die frauenspezifischen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und somit die Gründe dafür, dass Komponistinnen heute der Allgemeinheit, aber auch vielen Musikwissenschaftlern kaum bekannt sind.