Schultheis, Michael: RILKE-Lieder, Drei geistliche Gesänge über Gedichte von Rainer Maria Rilke für Bariton und Orgel (2018)

12,00  inkl. Mwst.

Digitale Ausgabe nur für ein Ensemble/einen Spieler. Partitur (und Stimmen). Weiterverkauf nicht gestattet. Digital edition for one ensemble/one player only. Score (and voices). Resale is not allowed.

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Beschreibung

Das Verhältnis des Dichters Rilke zur Religion und zum Glauben ist ein kompliziertes und zugleich spannendes. In seinem umfangreichen Werk finden sich viele widersprüchliche Zeilen, die sich mal skeptisch, mal vertrauensvoll mit dem christlichen Glauben an Gott auseinandersetzen. Rilke zeigt sich ganz persönlich als Mensch auf der Suche nach echter Gotteserfahrung, einer Suche, die nie eindeutig und entschlossen ist, dafür umso berührendere Aussagen hervorbringt. Besondere Skepsis bringt er der institutionalisierten Form des Christentums entgegen. Sein persönlicher und undogmatischer Zugang zum Glauben zeigt sich auch in den hier ausgewählten Gedichten, zugleich mit seiner wundersam zarten, poetischen Sprache. Das “Gebet” weckt Erinnerungen an die eigene Kindheit, an eine sehr vertraute, unschuldige, vielleicht auch naive Begegnung mit Gott. Im zweiten Gedicht erscheint Gott als allgegenwärtige Kraft, vielleicht als Schöpfergeist, und als Nächster im Sinne der Bergpredigt. Das dritte Gedicht vertieft die vertrauliche Beziehung zu einem Gott, der allgegenwärtig ist und dennoch auf leisen Spuren daherkommt.

Texte:

I. Gebet

Ich sprach von Dir als von dem sehr Verwandten,
zu dem mein Leben hundert Wege weiß,
ich nannte Dich: den alle Kinder kannten,
den alle Saiten überspannten,
für den ich dunkel bin und leis.
Ich nannte Dich den Nächsten meiner Nächte
und meiner Abende Verschwiegenheit, –
und Du bist der, den keiner sich erdächte,
wärst Du nicht ausgedacht seit Ewigkeit.
Und Du bist der, in dem ich nicht geirrt,
den ich betrat wie ein gewohntes Haus.
Jetzt geht Dein Wachsen über mich hinaus:
Du bist der Werdendste, der wird.

II. 

Ich finde dich in allen diesen Dingen,
denen ich gut und wie ein Bruder bin;
als Samen sonnst du dich in den geringen
und in den großen giebst du groß dich hin.

Das ist das wundersame Spiel der Kräfte,
daß sie so dienend durch die Dinge gehn:
in Wurzeln wachsend, schwindend in die Schäfte
und in den Wipfeln wie ein Auferstehn.

III.

Du kommst und gehst

Du kommst und gehst. Die Türen fallen
viel sanfter zu, fast ohne Wehn.
Du bist der Leiseste von Allen,
die durch die leisen Häuser gehn.

Man kann sich so an dich gewöhnen,
dass man nicht aus dem Buche schaut,
wenn seine Bilder sich verschönen,

von deinem Schatten überblaut;
weil dich die Dinge immer tönen,
nur einmal leis und einmal laut.

Oft wenn ich dich in Sinnen sehe,
verteilt sich deine Allgestalt:
du gehst wie lauter lichte Rehe
und ich bin dunkel und bin Wald.

Du bist ein Rad, an dem ich stehe:
von deinen vielen dunklen Achsen
wird immer wieder eine schwer
und dreht sich näher zu mir her,

und meine willigen Werke wachsen
von Wiederkehr zu Wiederkehr.

Spieldauer: 11′
I. 5:15
II. 1:30
III. 4:10

D-0179